Prof. em. Horst Linde, Technische Universität Berlin
Aus ökonomischer ebenso wie aus ökologischer Sicht bietet die Binnenschifffahrt interessante Potentiale zur nachhaltigen Lösung heutiger und zukünftiger Gütertrans-portaufgaben – eine Verlagerung von der Straße nicht nur auf die Schiene, sondern vor allem auf das Wasser ist daher ein verkehrspolitisch äußerst erstrebenswertes, bisher allerdings nur in unzureichendem Ausmaß erreichtes Entwicklungsziel. Soweit hierbei nicht nur Kanäle, sondern auch große schiffbare Flüsse in Frage kommen – und hinreichende Fahrzeuggrößen und Abladungen generell als wichtige Voraussetzungen für wirtschaftliche Effizienz zu sehen sind, ist die Beeinträchtigung der Schiffbarkeit durch wechselnde, zeitweise niedrige Wasserstände, hervorgerufen durch geringe Niederschlagsmengen, eine aktuelle, vermutlich noch weiter zunehmende Problematik. Dies gilt für die großen Flüsse in Ostdeutschland - Elbe und Oder – wo aus der Sicht der dortigen verladenden Wirtschaft, auch der Nachbarländer Polen und Tschechien, sehr wohl ein erhebliches Interesse an wasserseitigem Transport besteht, aber durchaus auch für den Rhein und die Donau. „Flachgängigkeit“ von Binnenschiffen ist daher eine zunehmend erhobene Forderung. Dabei sollte von folgendem Begriffsverständnis ausgegangen werden: „Flachgehende“ Fahrzeuge sollten bei begrenzten Abladetiefgängen noch über hinreichend attraktive Tragfähigkeiten verfügen. Nach dem Stand der Diskussionen kann davon ausgegangen werden, dass das hiermit gesetzte Ziel auf zwei Wegen angesteuert werden kann: - Durch „Leichtbau“, d.h. Einsatz spezifisch leichter Baustoffe und Konstruktionsprinzi-pien, wird eine Verringerung der Eigenmasse und damit eine entsprechende Verminde-rung des Leertiefgangs zugunsten entsprechender Tragfähigkeiten angestrebt. - Durch geeignete Maßnahmen im Entwurfsbereich – Wahl leertiefgangsgünstiger und zuladungsfördernder Hauptabmessungen – werden hinreichend hohe Tragfähigkeiten bei begrenzten Abladungen realisiert. Nach einer kritischen Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten von Leichtbau drängt sich folgende Einschätzung auf: Zum einen ist der quantitative tragfähigkeitssteigernde Effekt relativ gering, da die mögliche Leergewichtsverminderung relativ gering ist und der Anteil des Leergewichts an der Gesamtverdrängung eines beladenen Schiffes, selbst auch bei Teilabladung, gering ist (wenn auch aus kaufmännischer Sicht auch ein geringer Zugewinn u.U. als „Sahne auf dem Kaffee“ interpretiert werden kann). Zum anderen sind die in der Diskussion befindlichen, z.T. schon länger eingesetzten Leichtbau-Materialien – NE-Metalle, Kunststoffe, Metall-Schäume – im Hinblick auf Verarbeitungs- und Betriebseigenschaften, z.B. elastische Verformung, Korrosionsfestigkeit, Reparierbarkeit, für Binnenschiffe einer gewissen Größe mehr oder weniger problematisch. Nur Holzwerkstoffe, in Gestalt moderner hochwertiger Holzprodukte, könnten für zukünftige leichte Binnenschiffe, insbesondere Schubleichter, möglicherweise in Frage kommen, was noch genauer zu untersuchen wäre. Eine auf das Ziel „Flachgängigkeit“ gerichtete Entwurfsstrategie läuft darauf hinaus, einen Maximal-Tiefgang so zu beschränken, dass z.B. noch zwei Lagen Container (die z.B. auch auf der Oder nicht überschritten werden können) gut gefahren werden können, und einen Minimal-Tiefgang so zu definieren, dass noch eine Containerlage möglich ist und andererseits mit noch hinreichender Häufigkeit eine entsprechende Fahrwassertiefe zur Verfügung steht. Die hier vertretene Entwurfsphilosophie geht davon aus, attraktive Tragfähigkeiten nicht über die Abladung, sondern, im Rahmen des technisch-wirtschaftlich Sinnvollen, durch große Fahrzeug-Längen und -Breiten erreicht werden. Eine gute Manövrierfähigkeit entsprechend großer Verbände kann hierbei durch, in der Entwicklung befindliche, landseitige automatisierte Assistenzsysteme unterstützt werden. So konzipierte Tank-Motorschiffe für den Rhein sind inzwischen schon gebaut worden. Ältere, von Elbe-Werften vorgelegte Konzepte containergeeigneter Motorgüterschiffe waren nicht erfolgreich, weil bei Reedern der Standpunkt vertreten wurde, ein derartiges flachgehendes Schiff sei zu Zeiten guter Wasserstände mit dann tiefer abladbaren Fahrzeugen nicht wettbewerbsfähig - z.B. auf der Oder wird allerdings die These vertreten, dass aufgrund hinreichend großer Nachfragepotentiale, z.B. für Container, Schiffe dieser Konzeption exklusiv beschäftigt werden können, und andererseits Schiffe mit weitergehenden Ablademöglichkeiten dort nur relativ selten zum Zuge kommen werden.