Dipl.-Ing. Fridtjof Rohde, Helge Voigt, Dipl.-Ing. Hinrich Mohr,Technolog Services GmbH
Vor dem Hintergrund sich wandelnder klimatischer Verhältnisse ist der Kenntnisgewinn über die Umweltbedingungen in den küstennahen Gewässern von besonderem Interesse der Wissenschaft und Wirtschaft. Die hierfür in Deutschland eingesetzten Forschungsschiffe sind teilweise seit Jahrzehnten in Betrieb und nähern sich somit dem Ende Ihrer Lebensdauer. Im Rahmen des gegenwärtigen Erneuerungsprozesses der fahrenden Flotte werden daher für den Neubau eines kleinen Forschungsschiffes der Entwurf und die Konstruktion erstellt.
Das grundsätzliche Verständnis der Betriebsanforderungen und deren Übersetzung in ein technisches Gesamtkonzept ist insbesondere für den Schiffstyp der Forschungsschiffe ein entscheidendes Merkmal für einen erfolgreichen Entwurf. Der hohe Grad an Individualisierung nach den Vorgaben des späteren Betreibers macht das Schiff zu einem spezialisierten Unikat. Unter Berücksichtigung von sich potentiell wandelnden Aufgaben und Einsatzszenarien steht eine hohe Flexibilität in Bezug auf den Austausch und die mögliche Umrüstung von Komponenten im Fokus. Für diesen Neubau stellt sich daher die Auffassung des Schiffs als modulare Forschungsplattform als wesentliches Entwurfsziel heraus. Dies betrifft einerseits die forschungsbezogene Ausrüstung und Einrichtung aber ebenso die grundlegende Schiffsbetriebstechnik. Auf diese Weise wird ein ganzheitlicher Entwurfsansatz verfolgt, der die Wirtschaftlichkeit während des gesamten Schiffslebens gewährleistet.
Durch die konsequente Berücksichtigung der identifizierten Entwurfsziele werden die Forschungskapazitäten durch den Neubau unter Beibehaltung der grundsätzlichen Schiffsgröße im Vergleich zu dem noch in Betrieb befindlichen Vorgänger erheblich gesteigert. Das Fahrtprofil dieses Schiffes umfasst dabei wissenschaftliche Tagesfahrten in den küstennahen Bereichen der deutschen Nord- und Ostsee. Weiterhin operiert das Schiff in den Mündungsgebieten und Unterläufen der angrenzenden Flusssysteme. Infolgedessen ergibt sich neben dem beschriebenen Entwurfsansatz die Herausforderung, das Schiff einerseits für eine ausreichende Seefähigkeit zu ertüchtigen und andererseits die Beschränkungen der Hauptabmessungen für die Fahrt in den Binnengewässern einzuhalten. Im Besonderen wird dabei eine Längenbeschränkung von weniger als 30 m über alles, ein geringer Tiefgang von maximal 1,50 m sowie eine geringe lichte Durchfahrtshöhe von höchstens 6,50 m für die Passage von Brücken eingehalten. In der somit limitierten Raumkapazität werden neben den notwendigen Schiffsbetriebssystemen im Wesentlichen die Ausrüstung, Freiflächen und Räume für den Forschungsbetrieb kompakt untergebracht. Zum einen umfassen diese das tiefliegende Arbeitsdeck, ausgestattet mit den wesentlichen Hebezeugen und einem flexibel nutzbaren Befestigungsraster, sowie das Nasslabor für die feuchten Arbeiten, das mit einer großen süllfreien Tür mit dem Arbeitsdeck verbunden ist.
Außerdem besteht die Möglichkeit Messsysteme oder Geräte in Kokern und dem Hydrographenschacht flexibel einzusetzen. Zum anderen ist ein Trockenlabor angeordnet, in dem unter anderem die Datenerfassung stattfindet, und ausreichend Stauraum für die Proben und Ausrüstung der Forschungsteams wird vorgesehen. Weiterhin werden die festinstallierten Messsysteme und Server angeordnet und eine großzügige Messe für Besprechungen und Unterkunftsräume ist ebenfalls untergebracht. Des Weiteren ist das Forschungsschiff selbst ein Forschungsobjekt. Entwicklungen des Betreibers in der Wasserstofftechnik, in der Membrantechnik sowie beim Sammeln und Auswerten großer Datenmengen sollen in der Praxis angewendet werden. Auf Seiten der Schiffsbetriebstechnik wird dies ermöglicht durch ein diesel-elektrisches Propulsionskonzept, um einerseits in der Zukunft einen Betrieb mit alternativen Brennstoffen oder Energiequellen umsetzen und andererseits das stark variierende Fahrtprofil abzudecken zu können. Sehr gute Manövrier- und Positioniereigenschaften werden mit den zwei Propellern, Pumpjet und Ankerpfahl erreicht.