Volker Paatz, Anschütz GmbH, Kiel
Der Unterwasserbereich von Anschütz entwickelt und baut Steuerungs-, Automations- und Navigationssysteme für den Einsatz in U-Booten. Über einen Technologieumstieg, kombiniert mit systemspezifischen Innovationen, werden neue Standards im Bereich Steuerung und Automation gesetzt. Zu diesem Bereich gehören u.a. Systeme wie der Lenkstand zum automatischen oder manuellen Steuern von Kurs und Tiefe, die Ausfahrgerätesteuerung zur Steuerung und Reglung der ausfahrbaren Masten (Periskop, Schnorchel, etc.) sowie die Batterieüberwachung zur drahtlosen Überwachung und Auswertung aller Batteriezellen. Durch den Umstieg auf eine einheitliche Plattform, basierend auf speicher-programmierbaren Steuerungen (SPS) und Echtzeit-Ethernet, wird für Werften und Endkunden Mehrwert geschaffen im Bereich Funktionalität, Integration sowie Diagnose und Wartung.
Bisher in diesem Bereich eingesetzte Systeme basieren auf unterschiedlichen Rechner- und Bussystemen mit einer Vielzahl benötigten Rechnern/ Controllern und einer komplexen Softwarelandschaft. Der Technologieansatz von Anschütz setzt einheitliche Industrie PCs (IPC) ein, die alle Aufgaben der Systeme übernehmen (Steuerung, Regelung, Überwachung, Schnittstellenmanagement, Bediener-schnittstelle). Die Sensoren/ Aktuatoren sowie weitere Systeme werden über Ein-/Ausgabe (E/A) Module eingebunden.
Diese werden über Echtzeit-Ethernet mit den IPCs verbunden. Verschiedene Netzwerktopologien ermöglichen unterschiedliche Redundanzebenen sowie eine dezentrale Architektur. So können die E/A Module an einem beliebigen Platz in der Nähe der Aktuatoren (z.B. Hydraulikventile) platziert werden und so der Verkabelungsaufwand im Verhältnis zu einer zentralen Architektur deutlich reduziert werden.
Die Module enthalten keine projektspezifische Software und können auch an schwer erreichbaren Orten verbaut werden, sodass der auf U-Booten begrenzte Raum optimal aus-genutzt werden kann.
Es werden Commercial off- the- shelf (COTS) Komponenten verwendet, die durch ihre starke industrielle Verbreitung erprobt sind, eine langfristige Verfügbarkeit bieten und einen nachhaltig sicheren Betrieb gewährleisten. Die einheitlichen Hardware Komponenten, die simple Hutschienenmontage sowie die umfangreiche Selbstdiagnose jeder Komponente reduzieren Störungssuche und Wartungsaufwände. Durch die reduzierte Anzahl benötigter Komponenten sowie die kompakte und effiziente Bauweise können Platzbedarf und benötigte elektrische Leistung signifikant gesenkt werden.
In der speziell auf die SPS zugeschnittenen Automatisierungssoftware wird neben der Schnittstellen-verwaltung der Sensoren und Aktuatoren die Steuerung und Reglung in Echtzeit ausgeführt. Dies kann im Lenkstand für die präzise 3-dimensionale Lagereglung des Bootes durch den eigenen Anschütz Autopiloten genutzt werden oder in der Ausfahrgerätesteuerung zur Umsetzung der komplexen Regelsysteme der Masten mit Regelzyklen < 1ms.
Über ein selbst entwickeltes Softwareframework werden Ein- und Ausgänge in der Software automa-tisch angelegt und über einen Multiplexer mit einer Signal Bibliothek verbunden. Über die Bibliothek ist es möglich Status und Wertebereich der Signale aufzuzeichnen und Signale zu Testzwecken zu si-mulieren. Über diese Möglichkeit der Simulation können Funktionen und Software getestet werden, ohne dass Hardware benötigt wird. Optional kann darüber auch ein Trainingsmode realisiert werden, über den die Besatzung die Ausführung der Systemfunktionen, beispielsweise Steuern des Bootes, im Hafen trainieren kann.
Die kürzlich fertiggestellten Systeme und die aktuell laufenden Entwicklungsprojekte konnten bereits die Potentiale der neuen Technologieplattform bestätigen. Neben dem Nachweis der Einhaltung nicht funktionaler Anforderungen aus den Bereichen System- und Informationssicherheit sowie Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen konnten sowohl Entwicklungs- als auch Herstellkosten gesenkt und somit neue Systemfamilien im Automationsbereich realisiert werden. Für die Zukunft sind ein konsequenter Ausbau sowie weitere Investitionen in die Plattform geplant, um z.B. die eingebetteten Regelungen weiterzuentwickeln und Zusatzfunktionen wie „Predictive Maintenance“ besser integrieren zu können.