Lars Johnsen, Technische Universität Hamburg
Das arktische und antarktische Seeeis geht seit einigen Dekaden sowohl in Dicke als auch in Ausmaß stetig zurück. Dadurch eröffnen sich für die Schifffahrt neue Möglichkeiten und der alte Traum von der Nordostpassage und damit einem kurzen Seeweg von Europa nach Asien lebt wieder auf. Es gibt Schätzung die davon ausgehen, dass bis zu 22% der unentdeckten Öl- und Gasreserven der Erde in den Seegebieten der Arktis liegen. Hinzu kommen Edelmetalle in den kaum erschlossenen Gebieten Sibiriens oder Kanadas, die über Flüsse an die Seegebiete der Arktis angeschlossen sind. Schon in den vergangenen Jahren kann eine eindeutige Zunahme an Projekten zur Förderung von Ressourcen jedweder Art festgestellt werden.
Zumindest in der nahen Zukunft werden die Seegebiete der Arktis allerdings in den Wintermonaten weiterhin von einer Eisdecke bedeckt sein, die vom Pol bis an die Küsten Nordamerikas oder Eurasiens reicht. Es besteht also ein Bedarf an Schiffen zur Versorgung der wachsenden Zahl an Förderstationen und Häfen der Arktis und entlang der Nordostpassage, die in der Lage sind weitestgehend selbständig, also ohne die Unterstützung der bestehenden, und in der Zahl limitierten, Eisbrecherflotten, ganzjährig zu operieren. In der Arbeit wird der Entwurfsprozess eines eisbrechenden Containerschiffs mit einer Tragfähigkeit von etwa 12.000 t vorgestellt, das auf dem westlichen Teil der Nordostpassage eingesetzt werden soll. Das Schiff ist für die Fahrt in offenem Wasser und leichten Eisbedingungen in klassischer Fahrt voraus, und die Fahrt in schweren Eisbedingungen mit dem Heck voran konzipiert. Der Entwurf verfügt über die Eisklasse PC4, ist nach den Vorgaben des IMO Polar Codes entworfen und erfüllt die Vorschriften für Stickoxidemissionen gemäß IMO Tier III. Um die Leistungsfähigkeit in offener See im Vergleich zu ähnlichen Entwürfen zu steigern, sind die Schnitte im Heck in Höhe der Entwurfswasserlinie vergleichsweise flach geführt, um ein günstiges Wellenbild zu erreichen. Damit ist der Entwurf besser für die sparsame Fahrt in den Sommermonaten geeignet, in denen die arktischen Meere in Folge der globalen Klimaveränderung zunehmend eisfrei sein werden. Für die Fahrt in Eis auf dem Festigkeitstiefgang wird das Schiff nach vorne vertrimmt.
Die Arbeit ist in Kooperation mit der Pella Sietas GmbH und als Teil des Forschungsvorhabens PRICE (PRediction of ICE-ship-interaction) entstanden. In der Folge liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Abschätzung des Gewichts der Eisverstärkung auf Basis von Eislasten. Zu diesem Zweck wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem auf Basis eines nicht, oder nur leicht eisverstärkten Schiffes das Zusatzgewicht der Eisverstärkung inklusive der Gewichtsschwerpunkte abgeschätzt werden kann. Dabei wird ein Optimierungsalgorithmus zur automatischen Anpassungen einer bestehenden Spantstruktur nach den Regeln der IACS-Polar Class verwendet, und spezifische Lastzonengewichte bestimmt. Diese werden dann mit den Flächen der zugehörigen Lastzonen verrechnet. Das Gewicht der Eisverstärkung kann letztlich als quasi eigenständiger Entwurfsparameter, mit Entwurfslasten die von den Schiffslinien abhängen, behandelt werden. Die verwendeten Eislasten können dabei aus verschiedenen Quellen, wie den Regeln der Klassifikationsgesellschaften, statistischen Methoden, oder den im Rahmen von PRICE von den Projektpartnern entwickelten direkten Berechnungsmethoden stammen. Letztere wurden auch im Entwurfsprozess, soweit möglich, zur Beurteilung des Entwurfskonzeptes verwendet.